Johann Moritz Rugendas
(Augsburg, 29 März 1802 – Weilheim am Teck, 29 Mai 1856)
In Brasilien 5 März 1822 – 3 August 1825.
Malerische Reise in Brasilien oder Voyage Pittoresque au Brésil veröffentlicht Paris: Engelmann, 1827-1835.
Rugendas (Johann) Moriz R., zeichner, Maler und Reisender, geb. am 29 März 1802 zu Augsburg, besuchte die unter der Leitung seines Vaters Johann Lorenz R. stehende Kunstschule, ging 1817 nach München, um an der Akademie die Studien fortzufessen, welche indessen mehr durch das Vorbild von Lorenz Quaglio, insbesondere aber durch Albrecht Adam’s Einflut gefördert wurden. R. malte damals einige landschaftlische Bilder mit Figuren und Architekturen, wie das “Schloß Ussing” und einen “Pferdermarkt”. Da um jene Zeit die Expedition von Spix und Martius nach Brasilien viel von sich reden machte und Georg Heirich Freiherr v. Langsdorff als Russischer Staatsrath und General-Consul eine neue Reise dahin vorbereitete und dazu einen Zeichner wünschte, dessen Mangel gerade von den bairischen Gelehrten schmerzlich gefühlt wurde, so entschloß sich R. mit der glühenden Begeisterung der Jugend die weite Welt zu sehen, hierbei theilzunehmen, wozu ihn Karwinsky auf das beste empfahl. Das Wort Herder’s, man solle “die Welt mit den Bleististe in der Hand durchstreiten”, hatte bei dem jungen Maler gezündet, welcher freilich später gestand, er habe diese “Mahnung fast zu wörtlich” genommen. R. trat 1821 in die angebotene Stellung und fertigte in Brasilien eine Menge von Zeichnungen, welche Menschen und Thiere, Gegenden und die tropische Vegetation mit voller Treue und Wahrheit zur Anschauung brachten. Da aber die übernommenen Verbindlichkeiten ihm zu wenig freie Bewegung in seiner künstlerischen Thätigkeit gestatteten, so schied R. vom Freiherrn v. Langsdorff in Unfrieden, trieb sich auf eigene Faust unter harten Erfahrungen und Entbehrungen aller Art noch drei Jahre in Brasilien herum und kehrte 1825 mit vollen Mappen nach Europa zurück, und zu Paris die Publication seiner Zeichnungen vorzubereiten. Sie erschienen, von den besten Künstlern lithographirt, als “Voyage Pittoresque” oder “Malerische Reise in Brasilien von Moriz Rugendas” in 20 Lieferungen (zu je fünf Blättern mit deutschen und französischem Texte von V. M. Huber [Mitarbeit von Schriftstellern mit den Künstlern—PBr]) (Paris 1827-35 Fol. bei Engelmann).
[Holland, Hyacinth Algemeine Deutsche Biographie].
Moritz Rugendas in Brasilien
5 März 1822
anlandgeht in Rio de Janeiro.
September 1822
fahrt mit Langsdorff in Rio de Janeiro Provinz.
Oktober 1822
verläßt Langsdorff Gruppen.
Mai 1824
einhollt Langsdorff Gruppen zu Rio de Janeiro und abreist nach Inneren.
1 November 1824
verläßt Langsdorff Gruppen in Minas Gerais Provinz.
29 März 1825
ankommt in Rio de Janeiro bei Land
4 Juni 1825
anbordgeht am bord der Faune dem französischen König.
15 Juni 1825
anlandgeht in Bahia.
3 August 1825
anbordgeht am bord der französichen Frachtschiff Louise zum Le Havre.
pl. 4.18
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JOGAR CAPOEIRA ou Danse de la guerre
Dess. d’ap. nat. par Rugendas – Lithographie de Villeneuve, fig. par Wattier.
16ème livraison (avril 1835)
pl. 1.27
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SAN-SALVADOR
Dess. d’ap. nat. par Rugendas – Lithographie de Sabatier, fig. par Wattier.
19ème livraison (octobre 1835)
Diese Abschrift respektiert Linienende des Original.
nur wegen capoeira
[Malerische Reise in Brasilien — Sitten und Gebräuche der Neger]
[4.te Abt., 4.te Heft – 16.te Lief.]
[Seite 25]
Aus dem was wir in früheren Heften über dem Zustand der Sklaven in Brasilien
gesagt haben, geht schon hervor, dafs derselbe in der That nicht so traurig ist, als
man sich ihn gewöhnlich in Europa vorstellt, und wir müssen eher fürchten
dafs unsere unparteiische Darstellung solchen, die gewohnt sind bloß nach den
ersten sinnlichen Eindrücken ihre Ansichten zu bilden und nur eine Seite der
Dinge zu sehen, einen zu günstiger Begriff von der Sklaverei gegeben und sie zu
Vertheidigern derselben gemacht hat. –Dies ist wenigstens der Fall bei vielen
Europäern, die sich an Ort und Stelle überzeugen, dafs der Teufel nicht so schwarz
ist als man ihn malt, und deshalb leicht zu starken Geistern in Hinsicht auf die
Sklaverei werden. Hiezu trägt ohne Zweifel viel bei, dafs die Neger die glückliche
Gabe haben, wie die Kinder, ohne sich um Vergangenheit oder Zukunft zu bekümmern, den Augenblick ganz und leidenschaftlich zu genießen, während zugleich
außerordentlich wenig dazu gehört, um sie in einen wahren Taumel von Entzücken zu versetzen.
Man sollte wirklich oft glauben, dafs die lärmensten Vergnügungen für den
Neger nach der Arbeit des Tages dieselbe Wirkung haben wie die Ruhe, deren
er so sehr zu bedürfen scheint; und wenn man am Abend selten einige Sklaven
beisammen sieht, ohne dafs bald Gesang und Tanz die Gruppe belebt, so kann
man sich mit Mühe überzeugen, dafs sie den ganzen Tag die beschwerlichsten
Arbeiten verrichtet haben – dafs sie Sklaven sind.
Der gewöhnliche Tanz der Neger ist die Batuca, und kaum sind ein paar Neger
versammelt, so erschallt auch das abgemessene Zusammenschlagen der Hände, womit
sie sich gewissermaßen zum Tanze auffordern und begeistern. Die Batuca wird von
einer Person vorgetanzt; sie besteht hauptsächlich in gewissen, vielleicht zu ausdrucksvollen Bewegungen des Körpers, besonder der Hüften, die der Tanzende
mit den Schnalzen der Zunge, der Finger, und einföhrmigem Gesange begleitet,
[s.26]
dessen Refrain die andern, einen Kreis um den Vortanzenden bildenden Tanzer
wiederholen.
Ein anderer sehr gewöhnlicher Negertanz ist der sogenannte Landu, der auch
unter Portugiesen üblich ist, und von einer oder zwei Paaen mit Begleitung der
Mandoline getanzt wird, und den man sehr veredelt vielleicht in dem Fandango
und Bolero der Spanier wieder erkennt.
Diese Tänze werden von den Negern oft ohne Unterbrechung ganze Nächte fortgesetzt; sie wählen dazu besonders den Sonnabend und andere Abende, die einem
Freitage vorhergehen. –Hier verdient auch noch eine Art von Kriegstanz angeführt
zu werden. Es stellen sich zwei Parteien mit Stangen bewaffnet gegenüber, und die
Kunst besteht darin, den Stößen des Gegenüberstehenden auszuweichen. Viel
gewaltsamer ist ein anderes Kriegsspiel der Neger, JOGAR CAPOERA, das darin besteht,
dafs einer den andern durch Stöße mit dem Kopf auf die Brust, denen sie durch
gewandte Seitensprünge und Pariren ausweichen, unzuwerfen sucht, indem sie
fast wie Böcke gegeneinander anspringen und zuweilen gewaltig mit den Köpfen
aneinander rennen. Hiebei geschieht es nicht selten, dafs des Scherz in Ernst
übergeht und blutige Köpfe oder Messer dem Spiel ein Ende machen.
Eine Feierlichkeit von ganz eigner Art und worauf die Neger großen Werth legen,
ist die Wahl des Königs von Congo. (…)